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was...

...hat sich in meinem Alltag verändert, seit der Diagnosestellung (im Sommer 2004), bzw. seit der ersten stationären Therapie, in der ich "ganz" gesehen wurde? Ich stehe noch am Anfang mit vielen Verwirrungen und auch mit Zweifeln an mir, an allem. Jedoch ist auch manches besser. Ich erhalte mehr Antworten und kann viel mehr Einordnen. Ich empfinde mehr und fühle mich häufig bedeutend Lebendiger. Trotz der Zweifel weiß ich, das ich meinen Weg endlich gefunden habe. Die Hoffnung war noch nie so stark und hat noch nie so lange bestand gehabt.

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Bei mir geht alles sehr langsam. (Natürlich viiiel zu langsam +grins+) Ich habe etwa ein Jahr noch gebraucht um mich so langsam anzunähern, an den Gedanken,dass "das Innen" langsam sein darf. Und auch "das Innen" hat sich mir nach und nach deutlicher gezeigt. In der Klinik, im geschützten Rahmen und jetzt, wo ich die ambulante Therapie habe, da nehme ich immer mehr auch im Alltag wahr.Was gut ist, aber wiederum die Verwirrungen auslöst. Ich weiß das alles was ich jetzt immer deutlicher wahrnehme, auch in den Jahren vorher schon da war. Die Innis haben aber viel verborgener gewirkt. Zwar habe ich schon immer mal in diese Richtung gedacht, aber ich wußte zu wenig und kannte niemanden, die mich da begleitet hätte (z.B. Therapeutinnen). Jetzt, wo die Umstände immer mehr stimmen, sprich - jetzt wo ich therapeutisch und auf andere Weise gute Hilfe erhalte, scheinen die Innis mir mehr zuzumuten. Sie muten sich selber zu, ich weiß, immer noch sehr zögernd und dosiert, aber ehrlich gesagt bin ich da auch froh, denn auch so ist es schon viel und sehr anstrengend oft.

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Im Grunde merke ich immer mehr, dass ich auch meine "So-Sein" ändern muss. Früher konnte ich noch oft über meine Grenzen gehen, ohne es wirklich wahrzunehmen. Ich habe mehr geschafft - in den Zeiten wo ich nicht sehr Depressiv war. Ich hatte Suizidgedanken, war Hoffungslos - hatte alle die Folgen die ich auch schon erwähnt habe auf diesen Seiten. Aber ich war doch aktiver als ich es Heute sein kann. Bis ich vor ca. 3 Jahren so Depressiv wurde und nichts mehr wirklich half, außer das "nichts fühlen", was auch unerträglich war. Ich bin echt Dankbar, das mir Wildwasser die Traumastation empfohlen hat, die dann die Wendung brachte! Man könnte, ganz Oberflächlig gesehen, sagen, dass es mir früher besser ging. Aber wenn ich die Tagebücher ansehe und zurückdenke, dann weiß ich, dass es kein gutes Leben war. Vielleicht für andere etwas erträglicher, für mich nicht und außerdem kommt noch dazu, dass ich immer unter dieser "Bezugslosigkeit" gelitten habe. Ich spüre Grenzen jetzt schon deutlicher. Jetzt muss ich noch lernen dieses spüren auszuwerten und entsprechend zu handeln.

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Viele Reaktionen der Innis sind neu für mich. Z.B. habe ich viele heftige Gespräche in den Jahren gehabt. Ich habe viele schreckliche Lebensgeschichten von Frauen gehört, ich dachte mich kann nichts mehr erschüttern und ich habe mich immer für sehr "Triggerfest" gehalten. jetzt spüre ich Reaktionen in mir, auf wesentlich geringere Themen. Und ich spüre vielfältige Reaktionen. Was mich dann oft verwirrt und auch "schwindelig" macht.
Noch weiß ich meistens nicht wie ich reagieren will / kann. Ich bin nur erstaunt und manchmal freut es mich, das ich auch adäquat reagiere, das ich irgendwie auch "normaler" werde. Ich meine, ich habe es so oft bei anderen Frauen erlebt, wie sie auf etwas Emotional reagieren, wie sie auch für mich unlogisch reagieren oder Grenzen setzen mussten, Gespräche auf andere Themen bringen mussten. Ich konnte das immer Respektieren und achten, aber ich konnte es oft nicht wirklich nachempfinden. Jetzt lerne ich selber es kennen. Ich rede über was und in mir reagiert jemand oder mehrere. Ich mache was und erlebe Konsequenzen. Noch kann ich da nicht so eine Rücksicht nehmen. Es ist einfach manchmal auch spannend zu merken das es was auslöst. Naja, wenn die Konsequenz selbstverletzendes Verhalten ist, dann ist mir schon klar, das ich schon jetzt herausfinden muss, was der Auslöser ist und was helfen kann, um z.B. das Schneiden zu vermeiden. Alleine diese Auslöser zu vermeiden ist im Alltag schon echt schwierig - es ist so ungewohnt Stop zu sagen und mich selber zu bremsen etwas zu erzählen, was "ich" zwar erzählen möchte, aber was für andere in mir zu belastend ist. Ich muss anerkennen, dass bestimmte Themen Belastend sind und sie nur sehr gezielt in Gespräche einbringen. Aber nicht nur ich bin gewohnt mit bestimmten Menschen über alles zu reden, auch diese Menschen sind gewöhnt, dass ich über alles reden kann. So erscheint es mir, als wenn es manchmal für beide Seiten schwierig ist und sich alle langsam dran gewöhnen müssen.

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Ich weiß noch nicht wie alles werden wird. Zumeist gehe ich recht offen mit allem um und erzähle auch von Innen - immer mal wieder. Am leichtesten ist mit den Menschen, die schon was über DIS / DDNOS wissen und da selber mit zu tun haben. Da brauche ich nichts erklären und kann meine Zweifel besprechen und überhaupt, es hat einfach was normales. Die Menschen, die sich da nicht so auskennen und mich auch einfach schon länger kennen, gehen damit ganz unterschiedlich um. Aber ich habe bisher das Glück, das niemand sagt, das ich "spinne" oder so. Sie gehen den Weg mit mir und dafür bin ich sehr Dankbar.
Ich denke, dass es sich auch entwickeln muss. Ich weiß noch nicht wie sehr sich meine Innis auch im Außen bewegen wollen. Ich weiß noch nicht wie dann die Menschen um mich herum, damit umgehen können. Weiß ja nicht mal wie ich dann damit umgehen kann. Manchmal fehlt es mir, dass ich im Alltag niemanden da habe, die alle ganz selbstverständlich mit einbezieht. Von "uns" und "wir" zu sprechen tut mir gut und hilft mir alles verstehen und annehmen zu lernen. Andererseits sind da die alten Gewohnheiten, die sich auch nicht so einfach abstreifen lassen. Die mir aber auch manchmal nicht mehr "passen". Es ist schwer zu erklären. Der Alltag mit den Innis ist in erster Linie ein Alltag, der zwischen ihnen und mir stattfindet. Er hat wenig mit dem Außen zu tun (nja, wie man es nimmt) und ich spüre schon manchmal, dass es so vielleicht nicht bleiben kann. Manches Verändert sich. Und wenn es erst mal nur die Kraft ist, die mir fehlt und wo ich Hilfe in anspruch nehme für Dinge, die ich früher alleine hätte Regeln wollen. Das sieht nach Rückschritten aus, aber wenn ich nicht nach altem Maßstab messe, sondern ins jetzt fühle, dann ist es gut so, denn ich will diesen Weg gehen und ich will sehen, was er mir bringt und wo er mich hinführt. Ich will mich irgendwann Heil fühlen - will mit mir Leben können und das möglichst gut. In dieser Gesellschaft habe ich nie einen anerkannten Platz besessen. Aber ich möchte mich anerkennen. Mit allem was mich ausmacht.
Ja, ich werde den Weg gehen und hoffe von ganzem Herzen, dass es gut wird.

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