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Gründe

Nein, ich werde hier nicht die Gründe (im Sinne von Ursachen) aufschreiben, die in eine Notlage führen können, davon gibt es genug. Aber ich möchte versuchen meinen verschiedenen Motivationen auf den Grund zu gehen. Es gibt bei mir - wie soll ich sagen - unterschiedliche Qualitäten der Suizidgedanken, unterschiedliche Gründe für Suizidalität. Vielleicht ist das auch bei anderen so? Das weiß ich nicht. Ich denke, das ich noch Lebe ist wahrscheinlich der Dissoziation zu verdanken. Dadurch, dass es verschiedene Innis gibt, finden wahrscheinlich sowas wie Innere lebensrettende Maßnahmen statt. Es ist oft kritisch, aber letztlich passiert was, was alles verändert und mich weiter gehen lässt. Dissoziation ist hier Notwendig, um zu überleben. Vielleicht muss ich, müssen wir eines Tages nicht mehr mit dieser Bedrohung leben, aber ich denke, das dauert noch eine Weile und bis dahin hoffe ich, dass es so funktioniert.

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Ganz allgemein ist das Wissen, dieses Leben beenden zu können, wenn ich es nicht mehr aushalte, beruhigend und dieses Wissen lässt mich weitergehen, lässt mich schwierige Zeiten überstehen. Der Nachteil ist, das ich immer mal wieder an den Punkt komme, wo ich mich entscheiden muss, ob ich weiter machen kann oder nicht. Vielleicht ist es wie eine Überprüfung - ein Testen ob dieser Weg noch offen ist und ob mich mein Lebensweg noch genug hält. Der Tod als Sicherheit, die bleibt, wenn alles andere nicht mehr geht. Das ist nicht ganz einfach damit zu Überleben, aber wenn es darum geht überhaupt irgendwie weiter zu leben und es keine anderen Sicherheiten gibt, dann besser mit Suizidgedanken als gar nicht Leben. Diese Form der Suizidalität ist eigentlich fast immer vorhanden.

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Es gibt Innen auch den agressiven Todeswunsch. Im Sinne von "ich habe es nicht anders verdient". Ich hätte nie Leben dürfen und passe nicht in dieses Leben. Immer, wenn irgendwas geschieht, was ich nicht geschafft habe, wo ich in irgendeiner Form versagt habe, taucht das auf und sagt, dass ich nie was schaffen werde und das ich sterben soll - das ich die Welt von mir befreien soll. Es ist die Gewissheit, dass ich schon früher hätte sterben sollen, schon als Kleinkind. Es beinhaltet eine Art Schuldgefühl, weil ich noch Lebe. Leben ist mir nicht bestimmt und es finden sich Vielfältige Gründe die das Untermauern. Hier hilft mir das ich stark Kontrolliere und weiß, dass ich keine Kurzschlusshandlungen machen will. Wobei es nach so vielen Jahren schwierig ist herauszufinden was eine unüberlegte Kurzschlusshandlung ist und was eine überlegte Entscheidung ist. Da habe ich die 2. Sicherung eingebaut, denn so lange ich glaube das es was gibt was Helfen kann, solange werde ich Leben und versuchen den Weg zu gehen.

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Depressive Suizidalität ist noch mal wieder anders. In einer depressiven Phase stehe "ich" im Nebel und sehe keinen Weg, auch wenn er da ist. Suizid hat hier einzig den Sinn, das nichts fühlen zu beenden. Das sich Tod fühlen in die Realität umzusetzen. In so einer Phase bin ich gefährdet ohne klar denken zu können. Je länger diese Phase andauert desto größer die Nähe zum Tod. Diese Phase habe ich schon lange nicht mehr wirklich gehabt. Ich glaube seit ich auf der Traumastation gelandet bin, also seit etwa 2 Jahren. Seitdem das Innen auch im Außen gesehen wird. Ich spüre das es noch manchmal in mir ist aber weiter weg und ohne starken einfluss.

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Ich weiß das es noch einen Inni gibt, der eine ganz eigene Beziehung zum Tod hat. Eigentlich ist er nicht wirklich Suizidal - er glaubt nur nicht an das Leben und weiß, das es nicht gut werden kann. Er würde es uns gerne ersparen weiter zu leben und das ist durchaus nett gemeint. Er ist jederzeit bereit zu sterben, aber er wartet bis alle bereit sind. Vielleicht vermittelt er das Gefühl, das es eine Sicherheit gibt - außerhalb des Lebens.
Er hat mal folgendes an eine Therapeutin geschrieben, er vermeidet das "ich":

Woher kommt es, das man sich einen solchen Überlebenswillen erhält? Warum hofft man aus schwarz weiß machen zu können? Welchen Sinn macht es das man weiterlebt? Wie geht da die Kosten/Nutzen Rechnung auf? Es kostet viel, man kostet viel, aber es bringt keinen nutzen, man bringt keinen nutzen. Ach ja, manchmal werden ein paar Glitzerfunkelsterne in den Tag geworfen. Irgendwo wird gelächelt und wenn gebraucht auch gelacht. Wahrheiten werden verkleidet, damit sie angenehmer klingen. Hoffnungen werden angetriggert. Man erlebt ne Weile Lebenskickflashbacks. Gruselig, wenn einem die Realität wieder eingeholt hat. Besser immun zu sein, besser sich nicht einlassen, besser sich ans Schwarz gewöhnen.

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In der Tierwelt überleben die Starken, so ist es auch ok. Wenn man zu Schwach ist zum Leben ist es doch ok zu sterben. Es ist nur logisch. Aber diese Logik ist ja unmenschlich. "Pling" schmeißen wir doch noch ein paar Glitzerfunkelsterne in die Nacht. Gaukeln wir ein bisschen Happiness in den Tag. Damit die Schwachen sich stark fühlen. Wenigstens eine Weile, füllen wir die Glücksschale auch wenn es schal schmeckt. Warum glauben die daran? Warum ist diese irrwitzige Hoffnung so wichtig? Sie macht es nur schwerer. Dann sitzt man da und lässt sich von Nichtigkeiten umhauen. Dabei wäre es so leicht zu beenden. Das Falsche wird als Bedrohung erlebt. Der Tot birgt den Himmel das Leben die Hölle.

Irgendwann wird man überzeugt sein, weil das Leben von selber dieses Wissen bestätigen wird, man selber wird dabei Helfen, denn man hat ein Stück Hölle im Innen integriert. Erschreckend für die Hoffnungsträger. Funktionseingeschränkt krallen sie sich fest an Worten. Worte sind so trügerisch. Ok, es wird gesehen, das manche meinen was sie sagen. Aber im Ganzen verliert es den Sinn. Selbst die eigenen Worte sind oft ohne Echo, werden gesagt ohne Quelle, erreichen ein Ziel und vergessen die Quelle. Die gefühlte Wahrheit ist minimal. In einer Situation muss dieses Geschehen in einer anderen jenes. Antrainiert. Ohne Wurzel. Leer. Da es niemand geschafft hat einen zu Grunde zu richten, richtet man sich selber zu Grunde. Könnte effektiver geschehen, aber darauf hat man zu wenig Einfluss. Geringere Kräfte brauchen dazu halt länger.

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Gibt ja noch die Hoffnungssüchtigen. Sie finden immer wieder den Kick und sind vorrübergehend nicht zu verachten in ihrer Stärke. Ihre Schwäche ist, wenn die Realität sie einholt. Man versucht sie davor zu bewahren, sie Fern zu halten vom Suchtmittel. Aber die Verführung ist Mächtig. Den Dealern geht es gut. Sie stehn drauf, wenn man den Kick hat. Lächelnd verbreiten sie die Droge an die Schwachen. Aber was wenn mehr benötigt wird und kein Dealer in Sicht ist? Placebos wurden verkauft. "Sichere Ort", "Glücksschale", "innerer Garten", "Tresor" ... - ja Danke auch. Dient doch nur zum verlängern des Leidens. So lange man dran glaubt mag es ja eine gewisse Wirkung haben, aber es wird sich herausstellen das ein Placebo ein Placebo bleibt. Ist ja fast spannend, abzuwarten wann man clean wird. Welches Ereignis alles wach werden lässt. Wann die Träume verabschiedet werden. Aber es ist nicht schön da zuzusehen. Das tägliche hin und her. Eine Ende in Sicht und dann doch wieder die Sicht ohne Ende. Selbstquälerisch wird an der Hoffnungsdroge, im Zweifel am Placebo festgehalten. Man ist ja kein Unmensch, ist hart da zuzusehen. Man versucht zu retten was zu retten ist, aber es wird nicht wirklich verstanden das diese Rettung das einzig vernünftige ist. Man kann das nicht verstehen.

Diese Worte sind als Gedanken zu verstehen, die gedacht werden und ein Ziel wollen. Ein Hoffnungsdealer mag da inkonsequent als Ziel erscheinen. Aber zumindest wirken Sie Echt in dem was Sie weitergeben, man kennt kein würdigeres Ziel. Und, ja man nimmt die Drogen noch, das Schwache ist noch recht Stark.

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© 2005 · anja, www.frauen-leben.de · E-Mailemail senden